„Was einer ist, was einer war, beim Scheiden wird es offenbar“, so jedenfalls besagt es ein Sprichwort. Der Monat November, den wir gerade begonnen haben, gilt allgemeinhin auch als der Totenmonat, da viele Gedenktage unserer Verstorbenen in diese Zeit fallen (Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag). Für uns als Christen sind diese Tage deshalb auch Einladung, sich bewusst mit der Thematik von Sterben und Tod auseinanderzusetzen – gerade auch vor dem Hintergrund des christlichen Glaubens. Noch immer haben viele Menschen Berührungsängste mit diesem sensiblen Thema; noch immer gilt es in vielen Bereichen als Tabuthema, worüber man nicht so gerne spricht. Und doch geht es uns alle an, denn wir wissen: der Tod gehört zum Leben und er kommt unausweichlich einmal auf uns zu.
Innerhalb unserer Verabschiedungs- und Erinnerungskultur erleben wir derzeit viele Veränderungen und Verschiebungen, oder besser gesagt: gewaltige Umbrüche. Ich denke z.B. daran, dass der Tod kaum mehr noch eine Unterbrechung des gewohnten Lebens bedeutet. So ist man für die Teilnahme an einer Beerdigung nicht mehr selbstverständlich bereit, einen freien Tag „zu opfern“. Christliche Traditionen, wie das klassische Sterbeamt, also die Feier der Eucharistie im Zusammenhang mit der Beerdigung, sind heute nur mehr eine seltene Ausnahme. Wieso eigentlich? Die Tendenz geht zu individuell gestalteten Trauerfeiern, mit zunehmend mehr weltlichen und – teilweise fragwürdigen – Einflüssen und Elementen. Christliche Symbole und biblische Zitate verschwinden aus den Traueranzeigen und von Grabinschriften. Noch viele weitere Beobachtungen ließen sich an dieser Stelle vermerken. Als glaubende Menschen muss uns diese Entwicklung doch stutzig machen, so denke ich mir manches Mal.
Daher sind wir aus christlicher Sicht herausgefordert, diese Entwicklung aufzunehmen, sie durchaus kritisch zu reflektieren und unsere Überzeugung, sprich: unseren Glauben einzubringen. Ich bin der festen Meinung, dass man einem Verstorbenen durchaus anmerken darf, dass er zu Lebzeiten im christlichen Glauben beheimatet gewesen ist. Das sollte sich durchaus auch in der angemessenen Form der Bestattung, der Liedauswahl bei Trauerfeiern, der gesamten Verabschiedung niederschlagen. Denn ganz oft erlebe ich im Umfeld des Sterbens: die Hinterbliebenen suchen in ihrer Trauer nach Halt, nach etwas, was in dieser herausfordernden Situation trägt, was belastbar ist und was Hoffnung vermittelt. Unser Glaube greift all dies auf, denn er bietet Raum für Trauer und Schmerz und eröffnet darüber hinaus einen Weg der Hoffnung. Den Tod betrachten wir Christen daher immer im Spannungsgefüge zwischen Kreuz und Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Ich möchte daher mit diesem Vorwort ganz bewusst einen Beitrag zur Debatte leisten und die Tür zur weiteren Diskussion eröffnen, die sich in den christlichen Familien und auch im öffentlichen Leben fortsetzen soll. Es geht mir um die christliche Verkündigung im Umfeld von Sterben und Tod, denn als Christen ist es durchaus unsere Aufgabe, für Sinn und Anliegen eines bestimmten Umgangs damit zu werben. Die äußere Gestaltung der Verabschiedung bleibt auch weiter eine Aufgabe und ein Ort der Verkündigung, wo wir von unserem Glauben an das ewige Leben bei Gott Zeugnis ablegen sollen. Bedenken wir das, wenn wir in diesen Tagen an den Gräbern unserer Toten stehen, um für sie zu beten. Und fragen wir uns selbst, inwiefern das Grab auch ein Ort der christlichen Hoffnung sein kann.
Bleibe bei uns, Herr; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.
Bleibe bei uns und bei Deiner ganzen Kirche.
Bleibe bei uns am Abend des Tages, am Abend des Lebens, am Abend der Welt.
Bleibe bei uns mit Deiner Gnade und Güte, mit Deinem heiligen Wort und Sakrament, mit Deinem Trost und Segen.
Bleibe bei uns, wenn über uns kommt
die Nacht der Trübsal und Angst,
die Nacht des Zweifels und der Anfechtung,
die Nacht des bitteren Todes.
Bleibe bei uns und bei allen Deinen Gläubigen in Zeit und Ewigkeit.
Wilhelm Löhe
Mit den besten Segenswünschen von Haus zu Haus
Ihr Kaplan
Kevin Schirra